Rezension - Kleine große Schritte / Jodi Picoult

Dezember 29, 2017









Allgemeine Daten:

Titel: Kleine große Schritte
Autor: Jodi Picoult
Genre: Gesellschaftskritik
Preis: 20,00 Euro
Seitenzahl: 577
Verlag: C.Bertelsmann
Roman


Worum geht es?

Ruth Jefferson gehört zu den besten und erfahrensten Säuglingsschwestern des Mercy-West Haven Hospitals in Connecticut. Als sie eines Tages ein Neugeborenes versorgen will, wird ihr das von der Klinikleitung untersagt. Die Eltern des Babys gehören einer rechtsradikalen Vereinigung an und wollen nicht, dass eine Schwarze ihr Kind anfasst. Doch als Ruth einmal allein in der Säuglingsstation Dienst hat und der Junge eine Atemnot erleidet, gerät sie in ein moralisches Dilemma. Darf sie sich der Weisung widersetzen und dem Kind helfen? Nach kurzem Zögern folgt sie ihrem Gewissen - aber für den Jungen kommt jede Hilfe zu spät. Und es wird noch schlimmer. Der Vater verklagt Ruth , schuld am Tod des Babys zu sein. Es folgt ein nervenauftreibendes Verfahren, das vor allem eines offenbart:

den Selbstbetrug, dem die westliche Welt unterliegt, indem sie den unterschwelligen täglichen Rassismus verleugnet...

Meine Meinung:


Dieser Roman hat mich umgehauen. Buchstäblich. Am Anfang, als ich mich näher mit dem Buch beschäftigt habe, dachte ich, dass es ein dicker Wälzer mit dem Wunsch eine spannende Geschichte rund um das Thema Rassismus ist - mehr aber auch nicht. Doch da sieht man, wie man sich täuschen kann. Wie sehr ich mich getäuscht habe. Jodi Picoult hat mir mein neues Lieblingsbuch gezaubert. Warum? Es gibt einem inhaltlich mehr als man denkt.

Erstmal zum Cover des Romans muss ich sagen: Hammer! Das schreit förmlich danach gelesen zu werden und nimmt einen schönen Platz im Bücherregal ein. Auch der Klappentext zeigt einem gleich klipp und klar, worum es geht.

Inhaltlich ist dieser Roman so gut ausgearbeitet, denn es weist eine Komplexität von Charakteren und Sachverhalten auf, bei denen man staunt und sich fragt, wie die Autorin das alles hinbekommen hat. Der Einstieg in die Thematik des Rassismus ist Jodi Picoult fließend gelungen, da man ab Seite eins von der Geschichte gefesselt ist. Ich erinnere mich daran, wie ich es angefangen habe zu lesen, aber nur bis Seite 20 lesen wollte, es dann aber deutlich mehr wurde, weil ich das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Der Klappentext erzählt eigentlich schon genau, was passiert, ohne euch jetzt zu viel vorweg zu nehmen und dabei bekommt man im Roman so viele Einblicke in verschiedene Bereiche. Man sieht die Perspektive einer Pflichtverteidigerin, der Angeklagten Ruth Jefferson und ihrem Sohn, der damit umgehen muss, dass seine Mutter beschuldigt wird einen Mord begangen zu haben, einer rechtsradikalen Szene und allgemein wird das Rechtssystem in Amerika gezeigt, was überaus spannend ist. Die verschiedenen Charaktere werden auf ihre eigene Art und Weise aufgezeigt und man kann ihre ganze Person und ihre Verhaltensweisen durch die detailreiche Beschreibung nachvollziehen und nach kurzer Zeit gewöhnt man sich richtig an sie, denn man kann sich in jeden einzelnen hineinversetzen, sogar in den rechtsradikalen Vater, denn letzten Endes ist er in manchen Momenten auch nur ein Vater.

"Ich sehe das Baby noch einmal an und habe das Gefühl, als steckten meine Stiefel in Pech fest. Ich möchte hierbleiben, seine Finger noch mal zählen und diese aberwitzig winzigen Nägel betrachten. Ich möchte zusehen, wie sich seine Schultern heben und senken, wenn er atmet. Ich möchte zusehen, wie er die Lippen schürzt, als würde er im Traum jemanden küssen. Es ist verrückt ihn anzusehen, in Fleisch und Blut, und zu wissen, dass es Brit und mir gelungen war, etwas Reales und Festes aus einem Material zu erschaffen, das so verschwommen und unfassbar wie die Liebe war. "(S.49)

Und das ist der nächste Punkt, ich war manchmal selbst in einem Dilemma des Einfühlens und Verstehens. Man kann Ruth vollkommen nachvollziehen, die eine unglaubliche Wut hat, dass sie rassistisch behandelt wird und sie sowieso schon ihr ganzes Leben damit zu kämpfen hat und jetzt auch in einem Bereich, in dem sie die Beste der Besten ist, als Krankenschwester. Dann nach ihrer Anklage ihrem Sohn erklären zu müssen, dass sie trotz allem kämpfen müssen, ist unglaublich schwer und auch das hat mich tief berührt.

"Ich ringe um einen Weg , ihm glauben zu machen, dass wir trotz alledem jeden Tag einen Fuß vor den anderen setzen und darum beten müssen, dass beim nächsten Sonnenaufgang alles besser sein wird. Dass wir, wenn wir unser Erbe schon nicht auf Anspruch gründen können, es auf Hoffnung gründen müssen. Denn wenn wir dies nicht tun, werden wir zu den Hilflosen, den Unsteten, den Besiegten. Wir werden zu denen, für die sie uns halten." (S.298)

Aber teilweise konnte ich die Familie, die das Baby verloren hat, ebenfalls ziemlich gut verstehen, weil man den Verlust eines neugeborenen Kindes nicht so leicht wegsteckt und es total menschlich ist, dass man dafür einen Schuldigen sucht. Da Ruth Jefferson ausdrücklich von ihnen gebeten wurde das Kind nicht zu behandeln und sie dann aber doch sehen, wie sie es tut, ist es im ersten Moment verständlich, dass sie wutentbrannt darüber sind und sie für den Tod verantwortlich machen wollen. Deshalb ist dieser Roman so emotional, da man sich selber immer wieder fragt "Wie hätte ich reagiert?" oder man einfach nur die Personen in dem Moment verstehen kann.

Aber was noch viel wichtiger ist, ist, dass man sich in die Rolle einer dunkelhäutigen Frau hineinversetzen kann und sieht, wie sie von der Gesellschaft behandelt wird. Man bekommt Szenen vorgehalten, die einem erst klar machen, was sie tagtäglich durchleben muss und wie sie von den Menschen behandelt wird, obwohl jeder von sich behauptet, nicht rassistisch gestimmt zu sein. Das Buch zeigt, dass es in jedem von uns steckt, auch wenn wir es auf den ersten Blick verneinen würden.

"Und in dem Moment wird mir klar, warum Ruth mich hier dabeihaben wollte, um ihr bei der Auswahl eines Geschenks für ihre Mutter zu helfen. Ruth wollte mich dabeihaben, damit ich begriff, was es bedeutet, sie zu sein.
Die Angestellte, die uns beschattet für den Fall, dass Ware gestohlen wird.
Die Wachsamkeit der Kassenkraft.
Die Tatsache, dass von einem Dutzend Menschen, die gleichzeitig den TJ Maxx verlassen, Ruth die Einzige ist, deren Tasche überprüft wird." (S.335) 

Also alles in allem, der Roman Kleine große Schritte von Jodi Picoult ist es definitiv wert gelesen zu werde. Es öffnet einem die Augen und sensibilisiert für das Thema Rassismus in unserem Alltag. Es wird mir so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen, da der Roman mich mit seiner Komplexität begeistert hat und ich es jetzt wirklich zu meinem größten Highlight des Jahres 2017 zählen kann.

Besorgt und lest es auf jeden Fall, weil es euch genauso begeistern wird. Spannend und emotional ab der ersten bis zu letzten Seite.

* Vielen lieben Dank an das Bloggerportal und den C.Bertelsmann-Verlag, ich habe mich über dieses Rezensionsexemplar sehr gefreut und es nimmt jetzt einen besonderen Platz in meinem Bücherregal ein.

Habt ihr von dem Roman schon gehört oder gelesen? Wenn ja, schreibt es mir in die Kommentare :)

Wir lesen voneinander,
xoxo Lara




















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